Publikation "Ratten in der Stadt"

  • Hallo

    Beim Stöbern im Netz bin ich auf eine Publikation der Stadt Stuttgart zum Thema "Ratten in der Stadt" gestoßen.

    Die Inhalte sind teilweise sinnvoll, aber teilweise auch derart, dass ich mich frage, ob das so stimmt. Einige Punkte würde ich deshalb gerne mit euch diskutieren.

    Da steht z.B. drin:

    Zitat

    Durch die Ausscheidungen der Tiere, zum Beispielüber Badeseen oder Abwässer sowie durch Lebensmittel,

    die zuvor von Ratten verunreinigt wurden, können diese

    Krankheiten übertragen werden.

    Frage: kennt jemand eine Studie zur Übertragung über Badeseen mit Rattenausscheidungen? Was meint ihr dazu?

    Zitat

    Der Eigenbetrieb Stadtentwässerung Stuttgart (SES) lässt

    regelmäßig präventiv von einer Fachfirma Fraßköder im

    Stuttgarter Kanalsystem auslegen. Der Wirkstoff im Köder

    beeinflusst die Blutgerinnung, so dass die Ratten einige

    Tage nach der Aufnahme schmerzlos verenden.

    Schmerzlos???

    Diesen Tipp finde ich ganz gut auf den ersten Blick, wenn mal wieder jemand hier im Forum Ratten im Garten hat ;)

    Zitat

    Büsche undbodendeckende Pflanzen werden zurückgeschnitten, um

    so den Ratten Unterschlupfmöglichkeiten zu entziehen.

    Nur: bringt das wirklich was? Was meint ihr?ich habe gerade festgestellt, dass ich mir zu diesem Punkt noch nie Gedanken gemacht habe, was den Garten betrifft.

    Grundsätzlich sind es zwei Grundregeln, die zur Problemvermeidung aufgestellt werden:

    1.) Nahrungsangebot reduzieren

    2.) Keinen Unterschlupf bieten

    (Und natürlich wird auch der Schädlingsbekämpfer empfohlen)

    Wer die Broschüre selber lesen mag:

    *obsolet*

    Mich würde noch interessieren: gibts von eurer Gemeinde da auch Infomaterial? Und was wird darin empfohlen?

  • Hallo,

    genannt sind ja an Krankheiten konkret Salmonellen, Leptospiren und Toxoplasmen.

    Zu Toxoplasmose und Ratten siehe diesen Thread: Die Ratte ist nur Zwischenwirt für die Toxoplasmen und scheidet damit keine infektiösen Erreger aus.

    Salmonellen können in Badeseen überleben. Es wurden schon Badeseen gesperrt, weil man dort Salmonellen gefunden hat.

    Da Ratten, wenn sie Salmonellen haben, diese mit dem Kot ausscheiden (z. B. auch in dieser Dissertation, zur Untersuchung von Salmonellen in Schweineställen, wurde Ratten- und Mäusekot auf Salmonellen untersucht und Salmonellen festgestellt), können sie also dazu beitragen, dass Badeseen mit Salmonellen kontaminiert werden.

    Leptospiren brauchen eine feuchte Umgebung, um in der Umwelt zu überleben. Süßwasserseen kommen da mit in Frage.

    Bei der Feststellung von Leptospirose beim Menschen wird die Diagnose häufig aus den vorliegenden Symptomen (die einer Grippe ähneln) und vorhergehenden Aktivitäten gestellt: Dabei gilt z. B. auch Wassersport explizit als verdächtige Tätigkeit laut MedizInfo.

    Da Ratten auch Leptospiren ausscheiden (ds Landesgesundheitsamt Stuttgart geht wohl von 10-15% infizierten Ratten aus), tragen sie sicher auch da ihren Teil dazu bei.

    (Wobei auch andere Wildtiere, Wasservögel etc. auch für die Übertragung dieser und anderer Krankheiten in Frage kommen.)

    Zitat

    Büsche undbodendeckende Pflanzen werden zurückgeschnitten, um

    so den Ratten Unterschlupfmöglichkeiten zu entziehen.

    Ich denke das kommt sehr auf die Umgebung an, in der die Ratten sich aufhalten: Wie entscheidend ist der Bodenbewuchs in der Umgebung?

    Inwieweit hat man überhaupt Einfluss als Einzelner auf den Bodenbewuchs: Man kann z. B. im eigenen Garten alles wegschneiden, aber wenn die Nachbarn nicht mitziehen, dann halte ich es fraglich, ob es viel bringt, wenn an einer kleinen Stelle eben mal weniger Deckung geboten wird.

    Kann man sich im Boden eine Höhle graben oder nicht?

  • Hallo Dagmar

    direkte Broschüren zum Thema Ratten gibt es in unserer Stadt nicht.

    Allerdings veröffentlichen der Abwasserbetrieb und die Wohnungsgesellschaften

    hin und wieder in ihren "Kundenmagazinen" Tips zur Vorbeugung gegen Ratten.

    Hierbei wird den Leuten empfohlen, kein Essen in der Toilette zu entsorgen,

    Biomüll nur in verschlossenen Behältern zu entsorgen, die Mülltonnenstand-

    plätze sauber zu halten usw.

    Was ich gut daran finde ist, dass den Leuten dabei auch gesagt wird,

    dass Bekämpfungsaktionen nicht nachhaltig sind, wenn die Leute weiterhin

    sorglos ihre Essenabfälle entsorgen. Dass sowas dann halt die Ratten anzieht.

    Hier kommt es öfter vor, dass Ratten aus dem Gullideckel kommen und auf der

    Straße spazieren, wir haben auch schon totgefahrene Ratten auf der Straße

    gesehen. Ich weiß auch, dass der Eigenbetrieb Aufträge zur Bekämpfung von

    Ratten an diverse Firmen vergibt, diese Problematik aber nicht in Griff bekommt.

    Alle Kanaldeckel gegen geschlossene Kanaldeckel auszutauschen ist wohl

    finanziell nicht machbar.

    Ich selber halte nichts von diesen Bekämpfungsaktionen, und mir kann auch keiner beibringen, dass die Tiere "schmerzlos" verenden. Leute, die Fundratten

    aufgenommen haben, welche Rattengift gefressen hatten, wissen da oftmals

    anderes zu berichten.

    Inwieweit Ratten als Krankheitsüberträger nun wirklich eine reale Gefahr darstellen, weiß ich nicht, damit habe ich mich noch nicht weiter befasst.

    Dazu hätte Lorna sicher einiges gewusst.

    Zu DDR- Zeiten waren seitens der Behörden turnusmäßig bestimmte Bekämpfungsaktionen vorgeschrieben, um einer "Rattenplage" zuvorzukommen.

    Allerdings hat das aber kurioserweise auch dazu geführt, dass die Hausratte hier

    im Osten nicht ausgerottet wurde wie in der ehemaligen BRD. Glücklicherweise

    steht die Hausratte nunmehr unter Schutz und darf nicht mehr bekämpft werden.


    LG Petra

  • Zitat

    Man kann z. B. im eigenen Garten alles wegschneiden, aber wenn die Nachbarn nicht mitziehen, dann halte ich es fraglich, ob es viel bringt, wenn an einer kleinen Stelle eben mal weniger Deckung geboten wird.

    Ja, das dachte ich mir auch. Als Tipp für rattengeplagte Privatpersonen kann man das sicher anbringen, aber ob es sonderlich hilfreich ist, das bezweifle ich auch.

    ---------- Nachtrag 09.07.2011 um 10:38 ----------

    Zum Thema "schmerzlos" haben wir ja kürzlich einen sehr ansehnlichen bericht von Judith bekommen. :(

    Zitat

    In Deutschland wurden im Jahr 2003 37 Erkrankungsfälle gemeldet. Man schätzt, dass die tatsächliche Zahl der Infektionen etwa das Vierfache beträgt. Reservoir der Leptospiren sind hauptsächlich Nager (Ratten, Mäuse), die asymptomatisch infiziert sind und die Bakterien zeitlebens mit dem Urin ausscheiden.

    Zitat

    Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch Kontakt mit infizierten Tieren bzw. direkten Kontakt mit Nagerurin oder kontaminiertem Süßwasser oder Schlamm. Leptospiren benötigen ein feuchtes Milieu, um in der Umwelt zu überleben. Leptospiren können daher während Freizeitaktivitäten wie Camping, Schwimmen, Bootsfahren oder auch Mountain-Biken erworben werden.

    Daneben ist diese Infektion auch für bestimmte Berufsgruppen, wie Kanalarbeiter, Bauern und Veterinäre, von Bedeutung. Für diese Berufsgruppen wird die Infektion auch als Berufskrankheit anerkannt.

    Medizinische-Enzyklopaedie

    Zu den Berufsgruppen, u.a. Kanalarbeitern, wurde vor einigen Jahren eine Studie vom Robert Koch-Institut gemacht. Für Kanalarbeiter scheint es also ein erhöhtes Risiko zu geben.

    Allerdings kommen die möglicherweise mit Rattenurin in weitaus höherer Konzentration an Erregern in Verbindung als er in Badeseen auftritt? Bei etlichen Krankheiten besteht eine Korrelation zwischen der Erregerdichte und dem Infektionsrisiko - bei Leptospirose könnte es durchaus auch so sein, denke ich.

    ---------- Nachtrag 09.07.2011 um 10:43 ----------

    Zitat

    Zu DDR- Zeiten waren seitens der Behörden turnusmäßig bestimmte Bekämpfungsaktionen vorgeschrieben, um einer "Rattenplage" zuvorzukommen.Allerdings hat das aber kurioserweise auch dazu geführt, dass die Hausratte hier

    im Osten nicht ausgerottet wurde wie in der ehemaligen BRD. Glücklicherweise

    steht die Hausratte nunmehr unter Schutz und darf nicht mehr bekämpft werden.

    Bei euch finden keine turnusmäßigen Vergiftungsaktionen mehr statt? Gibt es da inzwischen Erfahrungswerte, inweit sich die Besiedlungsdichte von Ratten seither verändert hat?

    Petra, bei welcher Stadtverwaltung muss ich da anfragen? Denn das ist für mich superinteressant und wäre nützlich zu wissen.

    Hm, doch, bei uns machen sie das leider in regelmäßigen Abständen. Davon wissen die Hundehalter hier zu berichten, seit es vor einigen Jahren etliche Hunde miterwischt hat. Und ich musste deshalb um meine Klothilde bangen ;)

  • Hallo Dagmar

    leider finden hier auch immer noch Vergiftungsaktionen gegen Wanderratten statt.

    Oben bezog ich mich auf Hausratten, also Rattus Rattus und nicht Rattus Norwegicus.

    Aber auf Grund

    der Privatisierung nach der Wende kam es dazu, dass es letzten Endes jedem seine Sache wurde, ob und wann Vergiftungsaktionen durchgeführt werden.

    Wurde zu DDR- Zeiten seitens der Hygieneämter genau festgelegt, wer wann

    eine Ungezieferbekämpfung durchzuführen hatte (meist alle halbe Jahre präventiv)bzw. von den Ämtern durchgeführt wurde, so gab es das mit der Wende nicht mehr zentral. Jeder konnte/musste dezentral entscheiden, ob eine Bekämpfung durchgeführt wird oder nicht. Aus Kostengründen wurde die Bekämpfung nicht mehr so ernst genommen.

    Heutzutage entscheidet jede Gebietskörperschaft, ob und wann Vergiftungsaktionen statt finden, während früher der Staat den Institutionen die regelmäßige Ungezieferbekämpfung vorgeschrieben hat.

    Heutzutage zahlt jeder selbst für die Kosten der Bekämpfung, früher kam der Staat dafür auf.

    Hier finden sich immer noch riesige Agrarbetriebe mit mehreren Tausend Kühen

    oder Schweinen oder Hühnern, und dort gibt es immer Ratten. Die Konstruktion

    vieler Anlagen bot auch der Hausratte, die mittlerweile auf der roten Liste steht, Unterschlupf und Überleben. Auch die vielen alten Dorfhäuser boten den

    Tieren Unterschlupf. Und da es zu DDR-Zeiten kaum Wanderrattenplagen gab,

    die die Hausratten verdrängen, hatten die hier eben bessere Chancen und wurden nicht ausgerottet.

    Die Tatsache, dass die Hausratte (nicht die Wanderratte) auf der roten Liste

    steht hat dazu geführt, dass sie nicht mehr bekämpft werden darf. Ob die

    Firmen, die Bekämpfungsaktionen im Auftrag durchführen immer wissen, ob sie gerade Wander- oder Hausratten bekämpfen, ist eine ganz andere Frage.

    Ich kann Dir gerne von unserem Leiter des Abwasserbetriebes die Kontaktdaten

    geben. Mehr als ich kann der Dir sicher auch nicht sagen. Vergiftungsaktionen

    gegen Wanderratten finden bei uns- leider- auch immer wieder statt.


    LG Petra

  • Zitat

    Firmen, die Bekämpfungsaktionen im Auftrag durchführen immer wissen, ob sie gerade Wander- oder Hausratten bekämpfen, ist eine ganz andere Frage.

    Die Frage ist da: kann man gesondert gegen Wanderratten, aber nicht gegen Hausratten bekämpfen? Oder erwischt das Gift nicht alle? (Obwohl, hm, unterschiedliche Lebensräume)

  • Hallo Dagmar

    in der Stadt müsste es möglich sein, unterschiedlich zu bekämpfen.

    Wenn jemand Ratten im Dachgebälk hat, müsste sicher erst untersucht

    werden, welche Ratten dort hausen (auch wenn der Verdacht auf Hausratten

    vorliegt), bevor bekämpft wird. Ich weiß nicht, ob das immer gemacht wird.

    In den riesigen Tiermastanlagen(die ich verbieten würde, wenn ich was zu sagen hätte) leben aber Wander- und (wenn überhaupt) Hausratten. Je nachdem, wie

    und wo Gift ausgelegt wird, könnt ich mir schon vorstellen, dass beiderlei

    Arten was abkriegen. Liegt vllt. auch an der Qualifikation der beauftragten Firma.

    Hier stellt sich die Frage, wie qualifiziert Kontrollen hierzu sind.

    Oh Gott Dagmar, ein Thema, wo mir doch irgendwo das Herz weh tut


    LG Petra

  • Hallo

    @serena

    Da Ratten, wenn sie Salmonellen haben, diese mit dem Kot ausscheiden (z. B. auch in dieser Dissertation, zur Untersuchung von Salmonellen in Schweineställen, wurde Ratten- und Mäusekot auf Salmonellen untersucht und Salmonellen festgestellt), können sie also dazu beitragen, dass Badeseen mit Salmonellen kontaminiert werden

    Wie schaut es bezüglich von Enten/Schwänen sonstigen Geflügel aus, die

    koten doch auch ins Wasser ? Bekämpft man die dann auch ?


    LG Petra

  • Zitat

    Oh Gott Dagmar, ein Thema, wo mir doch irgendwo das Herz weh tut

    Ein Thema, das auch mir weh tut. Aber ich will gut informiert und adäquat antworten können, wenn Menschen fragen, was sie gegen ihre Rattenplagen in Haus und Garten tun können. Rattenelend kann man nur gut informiert bestmöglichst vermeiden.

  • Hi

    Ich kann zwar nicht mehr sicher sagen, wo ich das gelesen hab (müsste ich nochmal raussuchen), aber Schädlingsbekämpfung wird nicht aus Unsympathie der Wanderratte gegenüber durchgeführt, sondern um alle nach Infektionsschutzgesetz als Gesundheitsschädlinge eingestuften Tiere einzudämmen und zu bekämpfen. Und Hausratten sind da genauso dazu zu zählen, wie andere Tierarten auch. Da macht der Infektionsschutz keine Ausnahmen und so sind auch die zu bekämpfen wie Wanderratten auch.

    Kein Betrieb wird Unterschiede machen darin, welche Rattenart ihn da heimsucht. Von demher glaube ich nicht, dass da so noble Unterschiede gemacht werden wie ihr sie erhofft.

    Infektionsschutz geht schon vor Grundgesetz, da wirds vor Arten- und Naturschutz grad auch noch stehen.

    Das, wo nachgedacht werden kann ist im kleinen, privaten Bereich. Theoretisch, weil ja überall die Verpflichtung zur Bekämpfung von Infektionsgefahren verpflichtend ist. Aber bis auf ein paar wenige Ausnahmen stelle ich mir das unschaffbar vor, da im Lebensbereich des Menschen etwas für die Hausratte zu tun, sobald ein Anwohner sich beschwert, muss man da doch wieder was machen als Hausbesitzer...

    Ansatzpunkt wäre da wohl wirklich eher das WIE. Aber das stell ich mir sehr schwierig vor, man müsste die Menschen weg davon bringen, immer nur bei einem Problem durch zB Vergiftungsaktionen zu reagieren, hin zu präventiven Maßnahmen, um einen Befall gar nicht erst entstehen zu lassen. Sowas liegt aber nicht in der Natur des Menschen und kostet vor allem viel Geld und Zeit. Ein Haus in Schuss halten zum Beispiel, Anpassungen am Kanalsystem, Schulungen, Werbemaßnahmen, um die Bevölkerung zu mehr Bewusstsein bez. Müll, Gartenpflege etc. anzuleiten... Erfolgsaussichten fragwürdig, Kostenpunkt aber immens. Sowas wird nie passieren, da ist die Vergiftung nachher traurigerweiße auch einfach billiger.

    Schwieriges Thema..

    Und aus gegebenem Anlass mag ich da nicht mehr so viel drüber nachdenken..

    Grüße

    Judith

  • Hallo Petra,

    Zitat

    Wie schaut es bezüglich von Enten/Schwänen sonstigen Geflügel aus, die koten doch auch ins Wasser ? Bekämpft man die dann auch ?

    Der Gedanke kam mir dabei auch gleich: Zumindest was man optisch so tagsüber mitbekommt, sind an und auf den Gewässern sehr viel mehr verschiedene Wasservögel unterwegs als Ratten (die ja eher weniger regelmäßig massenhaft schwimmen gehen).

    Ich würde also schätzen, dass Wasservögel einen recht großen Anteil an der Einbringung von Krankheitserregern in Gewässern haben. Was die aber genau alles übertragen, weiß ich so nicht.

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